Wenn ich was anderes machen würde, würde ich vielleicht nicht immer ans Geld denken (2004)

Landestheater Detmold; Regie: Andreas Kloos; Ausstattung: Michaela Bluhm

Drei sehr komische Einakter über merkwürdige Helden unserer Zeit.

1) DEM HANS SEIN EIGENES GLÜCK (1 D, 1 H):
Unbezahlte Rechnungen und Mahnungen stapeln sich, Inkasso Angestellte stehen vor der Tür, aber HANS setzt nun einmal auf Qualität, nutzt „günstige Gelegenheiten“ und gibt fleißig geliehenes Geld aus. DEM HANS SEINE DRITTE FRAU stellt unablässig die richtigen Fragen, aber hört der HANS ihr überhaupt zu? Was läuft schief im Leben dieses gewieften Selbstmanagers?

2) DIE STUNDE / DES KUNDE (1 H):
Sie hat geschlagen, mit QUEROLF, kritischer Kunde von Beruf. Er weiß um alle seine Rechte und ist bereit – falls nötig (und das ist es immer) –, durch alle Instanzen zu gehen. Auch vor einer Klage gegen seine Rechtsschutzversicherung schreckt er nicht zurück, wenn diese nicht mehr zahlen will. Damit kommt sie natürlich nicht durch. Der Kampf geht weiter!

3) MEIN KÜNDIGUNGSSCHREIBEN VOM SOUNDSOVIELTEN SOTEN (1 D):
Betreff: Ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der FRAU DICHTERIN Z., u. a. wegen Betrachtung pornographischer Daten in der Bürozeit, Vermüllung des Arbeitsplatzes sowie fortwährender Beleidigung der schreibenden Kollegenzunft. – Überhaupt: Sollten Dichter nicht anständige Berufe ergreifen?

Uraufführung
1) und 3) im Februar 2005 am Theater Freiburg

Uraufführung
2) 28. 10. 2004, Theaterhaus Jena

Regie Roger Vontobel

Uraufführung
(1-2-3): 12.12. 2005, Hans-Otto-Theater, Potsdam

Regie: Tobias Rott, Johanna Hasse, Anne-Sylvie König


PRESSSESTIMMEN

 

Ein Leben in Sausl und Brausl

Gelungene Uraufführung: Das Hans Otto Theater zeigte im Walhalla drei Szenen von Felicia Zeller
Von Lore Bardens

Das Geheimnis offenbarte sich Punkt acht Uhr, als die Tür zum Vorführungsraum im „Walhalla“ zu Cancan-Klängen geöffnet wurde: Schnee lag überall auf dem Boden, man watete durch die Styroporkügelchen und ergatterte, wenn man Glück hatte, einen der Sitzplätze.

Auf der Bühne saßen schon zwei Männer, wovon einer (Christian Klischat) Frauenkleidung und Perücke trug, der andere (Henrik Schubert) im schreiend lila Unterhöschen unter knöchellangem Zobelmantel lässig lungerte (Bühnenbild und Kostüme: Marek Hertel). Es entspann sich der seltsamste Dialog eines Ehepaares, den man sich denken kann: wie ein Automat wollte die „dritte Ehefrau von Hans“, eben Christian Klischat, ihren Mann davon abbringen, weitere Kaufverträge zu unterschreiben. Allerdings kam „sie" nie weit und musste die emotionslos aus dem ganz und gar unweiblichen Mund heraus purzelnden Sätze immer wieder beginnen, als habe ihre Platte einen Sprung.

Die Sprache der jungen Autorin des Theaterstücks, Felicia Zeller, ist komplett durchgestylt, wobei sie sich oft von den Wortklängen inspirieren lässt. Allerdings ohne jemals den größeren Sinnzusammenhang zu verlassen. Wunderbare Stilblüten machen lachen, z.B. „Mausl, wir werden leben in Sausl und Brausl“. Man muss es hören, um mitlachen zu können und man muss sehen, wie der Hans seine „dritte Ehefrau“ von hinten nimmt, um sich bis zum Höhepunkt immer begeisterter in den bevorstehenden Kauf des neuen Wagens hinein zu steigern.

Es ist absurdes Theater, das da in drei Szenen auf der Studio-Bühne vorgeführt wird, und alle drei haben den ganz normalen Wahnsinn zum Inhalt, eben in etwas gesteigerter und poetisch angereicherter Form. Felicia Zeller behandelt den Kaufrausch, der die dritte Familie von Hans ebenso in den Ruin treibt wie wahrscheinlich die beiden vorherigen. Sie lässt den Verbraucherschützer sprechen, der in der Inszenierung als dreifache Aufspaltung seiner selbst immer wieder neue Prozesse anstrebt, um, wie er meint, der Menschheit zu dienen. Und sie zeigt in der letzten Szene auf, wie erfreut und wahnsinnig amüsiert eine Sekretärin Kündigungsschreiben formulieren und dabei immer wieder darauf achten kann, dass Superformulierung Textbaustein Nummer soundso und Formatierung xy auch wunderbar auf dem Blatt aussehen. Caroline Lux, die ab Akt 2 mit agiert, bewies eine ebenso reiche Verwandlungsfähigkeit und präzise Beherrschung der manchmal ins Stakkato gesteigerten Sprache, wie die beiden anderen Schauspieler auch.

Jede Szene verantwortet ein anderer Regisseur (Tobias Rott, Johanna Hasse und Ann-Sylvie König), die sich aber alle von der grotesk munteren Vorlage gleichermaßen haben aufs Trefflichste inspirieren lassen. Dieses Theaterstück mit dem ellenlangen Titel „Wenn ich etwas anderes machen würde, würde ich vielleicht nicht immer ans Geld denken“ ist in allen Bereichen gelungen und Felicia Zeller allemal wert, von einem großen Publikum entdeckt zu werden.

Potsdamer Neueste Nachrichten, 14.12.05


Potsdam. Wer hat sich nicht schon geärgert über Verschlüsse von Getränkepackungen, die den nassen Inhalt zunächst über Tisch oder Hose des Konsumenten verschütten, anstatt ihn säuberlich in Glas oder Topf zu geben? Auch der Liegestuhl, der zur gefährlichen Klappfalle wird, ist Gegenstand von Sketchen ebenso wie von ganz realen Lebenserfahrungen. Die Schriftstellerin Felicia Zeller hat für eine Szene einen Kunden entworfen, der sich das nicht mehr gefallen läßt. Er verklagt alle Unternehmen, die ihm irgendetwas unpraktisches verkauft haben, einschließlich seiner Rechtschutzversicherung, die die vielen Prozesse nicht mehr akzeptieren will.

„Wenn ich etwas anderes machen würde, würde ich vielleicht nicht immer ans Geld denken" ist der Titel einer Unternehmung des Hans-Otto-Theaters im Varieté Walhalla, in der Anne-Sylvie König drei Szenen von Felicia Feller gekoppelt und gemeinsam mit Tobias Rott und Johanna Hasse inszeniert hat. Das Geld und seine Verfügbarkeit oder Abwesenheit bewegt die Figuren, die in einer Kunstsprache reden, in der ausgeklügelte Grammatik zu ungewöhnlichen Redundanzen führt und sich ein Kosewort wie Mausel auf Klausel oder Hausel reimt.

In der ersten Szene „Dem Hans sein eigenes Glück" gibt Hans Henrik Schubert die Titelfigur, die in dritter Ehe mit einem Wesen verheiratet ist, das Christian Klischat in witziger Travestie (Regie: Tobias Rott) spielt. Hans ist in teuren Pelz gehüllt und denkt gerade über den Kauf eines Hauses nach, obwohl die Post schon lange nur noch Rechnungen und Mahnungen bringt und auch die Schlägertypen eines Inkassounternehmens schon vor der Tür standen. Hans lebt nach dem alten Spruch, dass er zu wenig Geld habe, als dass er sich Billiges leisten könne. Dem von ihm verachteten, biederen Ehepartner schenkt er einen teuren Ring, denn bei jeder Rate werde er an ihn denken.

Auf die Travestie des Konsumparadieses auf Pump folgt „die Stunde / des Kunde". Johanna Hasse hat den Monolog für drei Figuren aufgesplittet. Zu den beiden Schauspielern der ersten Szene stößt Caroline Lux. Die fein gedrechselte Rede eines sich von Firmen und Verkäufern gedemütigt gefühlten Kunden wird Vortrag, Gespräch und antiker Chorgesang. Das Materielle scheint das Göttliche unserer Tage zu sein, könnte eine Botschaft sein. Dabei wird diese hohe Form der dramatischen Kunst immer wieder witzig auf den Boden des gegenwärtigen Alltags gestellt mit Firmenanwälten und verzweifelten Kunden.

„Mein Kündigungsschreiben vom soundsovielten Soten" wird in der Regie von Anne-Sylvie König zu einem wunderbaren Solo für Caroline Lux. Sie gibt eine Angestellte, die lautmalerisch ihr Kündigungsschreiben auf absurde Anspielungen testet, Firma und Chefs als Kasperletheater entlarvt und in letztendlicher Zustimmung zur Kündigung ihre persönliche Freiheit bestätigt. Die Dame hat sofort die Sympathie des Publikums, auch wenn der Text durchaus Verständnis fürs Unternehmen aufkommen läßt. Das ständige Beschimpfen von Kollegen und Kunden, das Halten von Kaninchen im Büro und die Nutzung des teuren Firmen-PCs fürs Herunterladen pornographischer Internet-Dateien ist sicher nicht zum Wohle der Firma. Nach einer guten vergnüglichen Stunde applaudieren begeisterte Zuschauer auch deswegen, weil Felicia Zeller Goethes Spruch „Nach Golde drängt / am Golde hängt / doch alles" (Margarete im Faust) ein heutiges stilistisch bemerkenswertes Sprechen über Materielles zur Seite stellt.
Christian Schindler

Oranienburger Generalanzeiger, 14.12.05


DEM HANS SEIN EIGENES GLÜCK
Bemerkenswerter Dreiteiler des Hans-Otto-Theaters im Varieté Walhalla

LOTHAR KRONE Als sich am Montagabend im "Walhalla" die Türen zum Zuschauerraum des kleinen Varietétheater öffneten, war die erste Überraschung bereits perfekt. Eine komplett zugeschneite, verrümpelte Bestuhlung sowie die in quietschend hässlichen Pelzmänteln ins Leere starrenden Darsteller gaben ein bizarres Bild ab. Im Schein der nordpolarlichtartigen Bläue sortierten sich die Zuschauer das Sitzmobiliar und wischten verdutzt den Styroporschnee von den Stühlen.

Marek Hertels Bühnenbild und Kostüme blieben nicht die einzige Überraschung bei der Uraufführung von Felicia Zellers Dreiteilers "Wenn ich was anderes machen würde, würde ich vielleicht nicht immer ans Geld denken". Dem monströsen, assoziationsarmen Titel folgten drei Szenen, die sprachlich und darstellerisch das Prädikat Theaterkunst verdienen. Selbst die gewagte Entscheidung, drei Regisseuren jeweils einen der Texte zuzuteilen, erwies sich als Glücksgriff.

Tobias Rott fiel die Aufgabe zu, "Dem Hans sein eigenes Glück" in Szene zu setzen. Das gelang grandios, weil er den Dialog von Hans (Henrik Schubert) mit seiner dritten Frau (Christian Klischat) dem Text folgend, stark verfremdete und bis zum Absurden überhöhte. Wenn der aufgeblasene, vollständig überschuldete Ehemann die immer noch als Mann erkennbare Gattin von hinten besteigt, ist die Groteske komplett. Die im Paarungsakt abgesonderten Gedankenfetzen steigern sich dabei zu einem regelrechten konsumerotischen Dämlichkeitshöhepunkt.

Das zweite Thema "Die Stunde/Des Kunde" ist eine Persiflage auf das Verbraucherschutzunwesen und von Johanna Hasse adäquat inszeniert. Den beiden männlichen Darstellern ist diesmal Caroline Lux zur Seite gestellt. Alle drei spielen Schichten ein und desselben ewig prozessierenden Kunden, der sich im Kampf um sein Recht unweigerlich aufreibt. Das synthetische Trio operiert dabei wie eine sechsarmige Hydra im Ozean der Paragraphenspringfluten.

Das angenehm flüssig dahinrasende Stück endet mit einem Solo. In "Mein Kündigungsschreiben vom soundsovielten Soten" spielt Caroline Lux eine am Laptop schreibende Kündigungswütige im Formulierungsrausch. Die Idee der Regisseurin Anne-Sylvie König, an verschiedenen Orten im Saal zu agieren, ist zumindest überdenkenswert, weil für Teile des Publikums nur eingeschränkte Sicht besteht. Trotzdem ist das Wortstakkato der schönen Tippse ein Zuhörgenuss. Auch hier spielt die Autorin ihr ganzes Sprachgefühl und Klangempfinden aus. Es machte einfach Spaß, den immer unerwarteten Satzfragmenten zu folgen, die sich letztlich stets zu sehr präzisen Alltagsbildern zusammenfügten. So unangestrengt ist auf einer Potsdamer Bühne selten Erhebliches dargeboten worden.

Märkische Allgemeine, 14.12.05