Kaspar Häuser Meer (2008)

Im Arbeitsalltag dreier Jugendamtssozialarbeiterinnen spiegelt sich das Verhalten der Klienten und immanente Problematiken staatlich organisierter Sozialarbeit.

Kollege Björn ist ausgebrannt. Niemand weiss, wann er wieder einsatzfähig sein wird. Er hinterlässt hundertvier Fälle in einer lückenhaften Dokumentation. Die drei Jugendamtssozialarbeiterinnen Barbara, Silvia und Anika rotieren.

DAS BJÖRN-OUT-SYNDROM
Vorne wird gebremst, gleichzeitig Gas gegeben: der Hinterreifen dreht durch. Der Motoradhalter gibt so lange wie möglich ununterbrochen Gas, um den Reifen solange wie möglich am Durchdrehen zu halten: Björn-Out. Der Text ist ein einziger Die Damen rotieren von Anfang an. Die Sprechgeschwindigkeit ist schneller als normal.

EINZELKÄMPFER
Ein körperlicher Abstand zwischen den einzelnen Darstellern ist einzuhalten. Es dürfen keine Gegenstände einander zugereicht werden.

JEDER IST SEIN EIGENER EXPERTE
Während die Sozialarbeiterinnen über ihre eigenen Probleme sprechen, sprechen sie gleichzeitig immer auch als Klient und / oder Sozialarbeiter über die Probleme der Klienten / der Sozialarbeit.

SUPERVISION DER SCHAUSPIELERINNEN
Methoden der Reflexion wie Rollenspiel, Skulpturarbeit. Neben der Aufstellung im Raum eignen sich auch sogenannte Miniskulpturen, eine Methode, die wenig Zeit benötigt, manchmal nur wenige Sekunden.

SEHNSUCHT NACH PRÄVENTION
Das latente „Zu-Spät-Kommen“, das ständige Bemühen, der ablaufenden Zeit planerisch nachzujagen, dieses Hinterherhinken bei gleichzeitigem Bemühen darum, schneller zu sein, prägt die berufliche Existenz der Fachkräfte im Allgemeinen Sozialen Dienst. Die große Sehnsucht nach Prävention, die nicht einlösbar ist, durchdringt ihrer aller Sprechen und wird in der sprachlichen Form ihrer Dialoge manifest. Ein unvollendeter Satz stapelt sich auf den nächsten.

HELFEN MIT RISIKO
Scheitern beschreibt hier nicht einen Skandal, sondern ist auszuhaltender Teil der Arbeit: Helfen mit Risiko. Dass man nicht weiss, wie die Hilfe ausgeht, ist ein sozialpädagogisches Dilemma, dass nur in den Denkfiguren der Sozialpädagogik verstehbar und aushaltbar ist. Diese Denkfiguren bestimmen die Sprache der Fachkräfte, bestimmen ihr Leben, bestimmen die Formel des Stücks.

VERÄNDERUNGSRESISTENTES SYSTEM
Der Eindruck von Bewegungslosigkeit und scheinbarer Untätigkeit bei gleichzeitig ständig anstehender, inflationärer Tätigkeit ist Thema des Stücks.

 

 

Uraufführung 20.01.2008
Theater Freiburg

Regie: Marcus Lobbes
Bühne und Kostüme: Christoph Ernst
Musik: Hans Platzgumer
Dramaturgie: Joseph Mackert

mit
Bettina Grahs, Britta Hammelstein, Rebecca Klingenberg

Publikumspreis bei den Mülheimer Theatertagen 2008


ÜBERSETZUNGEN
Polnisch von Przelozyla Elzbieta Ogrodowska-Jesionek
Tschechisch von Jitka Jilková
Spanisch von María Lorena Batiston
Englisch von Birgit Schreyer Duarte
Katalanisch von Ester Roma Calle
Japanisch von Shino Nagata
Slowenisch von Mojca Kranjc
Schwedisch
Niederländisch
Norwegisch

Das Hörspiel nach dieser Theaterinszenierung JETZT HIER AUF DER WEBSEITE ANHÖREN!

Kaspar Häuser Meer
Hörspiel, Eigenproduktion, 2009

Regie: Marcus Lobbes / Felicia Zeller
Darsteller: Bettina Grahs, Britta Hammelstein und Rebecca Klingenberg
Aufnahmeleitung: Johannes SaalProduktion: Autorenproduktion 2009
Länge: ca. 49’

 


ÜBERSETZUNGEN
Polnisch von Przelozyla Elzbieta Ogrodowska-Jesionek
Tschechisch von Jitka Jilková
Spanisch von María Lorena Batiston
Englisch von Birgit Schreyer Duarte
Katalanisch von Ester Roma Calle
Japanisch von Shino Nagata
Slowenisch von Mojca Kranjc
Schwedisch
Niederländisch
Norwegisch


 

PRESSSESTIMMEN

Es ist dieses repetitive Handeln und Sprechen, das den Text von Felicia Zeller ausmacht. Hektische, elektrisiert vorgetragene Monologe wechseln sich mit gebetsmühlenartig unisono abgesungenen Wiederholungen ab, die wie Inseln der Verlangsamung im Stück treiben. Eine skurril anmutende und sarkastische Phrase jagt die nächste. Anfangs wirkt manches flach und lustig dahingesagt. Doch mit seinem Fortschreiten, mit der Gewöhnung an den Geschwindigkeitsrausch der Sprache und das nicht selten eckige Unisono, kommt das Stück bei der zentralen Frage an: "Warum machen die das?"
Kritik taz lesen...

Kritik FAZ lesen...

hre Texte spielen sie ab wie Schallplatten. Sie sprechen gleichzeitig miteinander - und aneinander vorbei. Man kennt ja schließlich das Repertoire der jeweils anderen. Behördensprech wie: "Hat denn jemand schon eine Eingabe gemacht auf Verwaltungsebene?" Ein dichter Textteppich ergießt sich ins Publikum, 70 Minuten lang in hohem Tempo: Der irre, monotone Sound der Sozialämter.
Kritik Deutschlandradio lesen...

Laudatio Hartmut Krug...